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Geschichte der jüdischen Gemeinde in Michelbach/Lücke

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Michelbach/Lücke beginnt im Jahre 1520. Fast alle Reichsstädte in Süddeutschland begannen ihre Juden aus dem städtischen Gebiet auszuschließen, so auch in Rothenburg o.d. Tauber mit einer „unblutigen“ Judenvertreibung. „Unblutig“, das bedeutete, dass Gewalt angewandt, die Synagoge zerstört, die Häuser verlassen werden mussten, aber niemand umgebracht wurde. Diese Juden, alles Händler, tauchten kurze Zeit später im Grenzgebiet auf, meist in den kleinen Ritterschaften Frankens. Das hatte seinen Grund. Die Reichsritterschaft erhielt 1548 in der Reichspolizeiordnung das sogenannte „Judenregal“, also die ursprünglich dem Kaiser vorbehaltene Erlaubnis, Juden aufzunehmen. Juden waren gerne gesehen, weil sie Geld mitbrachten. Dieses war bei den Rittern sehr begehrt, erhielten sie doch von ihren Untertanen Abgaben in der Regel in Form von Naturalien. Als Gegenleistung für das Geld stellten sie Schutzbriefe aus, so kam es zum Begriff „Schutzjuden“. Juden mussten, wenn sie mit 26 Jahren volljährig wurden, einen eigenen Schutzbrief beantragen. Wer wegzog, musste einen Ersatzmann stellen.

Herren von Michelbach waren von 1423 – 1601 die Freiherren von Berlichingen.

1556 wird als ein „Moses von Michelbach“ erwähnt, und zwar als Bürge für eine Summe von 1000 Gulden, mit der ein Jude Hirsch aus der Gefangenschaft des Grafen von Oettingen.-Wallerstein freigekauft werden sollte.

1590 findet sich ein Judas von Michelbach.

1599 verkauft Hans Georg von Berlichingen Michelbach an seinen Schwager Christoph von Crailsheim.

1626 lebten bereits 23 Familien in Michelbach, die einen eigenen Rabbiner unterhalten konnten.

1631 wurde Michelbach dem ev. Freiherrn von Crailsheim vom Kaiser das Amt Michelbach entzogen und an den katholischen Grafen Georg von Schwarzenberg verliehen.

1644 erließ Graf Johann Adolf von Schwarzenberg die „Schwarzenbergische Judenordnung“. Das bedeutete einen offenen Patents-, Freiheits- und Schutzbrief, sowie weitere Rechte für Juden, wie etwa der Erwerb von Häusern, das Recht, eine eigene Synagoge und einen Rabbiner zu halten, die Selbstbesteuerung und die Regelung innerjüdischer Angelegenheiten durch den Rabbiner. Aus dieser Ordnung folgte auch die Gründung der Landjudenschaft, die zuständig war für die jüdischen Belange. Auf den Landtagen wurden die Landesrabbiner gewählt und die jeweiligen Herrschaftsabgaben verhandelt. Auch in Michelbach waren die Folgen des 30-jährigen Krieges deutlich zu spüren.

1660 lebten in Michelbach 23 Protestanten und 7 Juden. Die relativ liberale Judenordnung führte jedoch zu einem starken Zuzug jüdischer Familien. Dieser machte 1757 den Neubau einer eigenen Synagoge notwendig.

1810 fiel Michelbach im Zuge der Napoleonischen Neuordnung an das Königreich Württemberg. Die Landjudenschaft endete mit dieser Eingliederung. Inzwischen gab es über in Michelbach 100 Juden am Ort in 26 Haushalten.

1812 wurde der Eintritt in Zünfte möglich; deren Bedeutung war allerdings nicht mehr so groß.

1828 folgte die staatsrechtliche Gleichstellung. Es gab einen israelitischen Oberkirchenrat, analog zum katholischen und evangelischen Oberkirchenrat. Er vertrat die jüdischen Interessen.

1840 wurde ein jüdischer Friedhof errichtet, der in den folgenden Jahren zweimal erweitert werden musste.

1864 wurde die völlige Gleichstellung der Juden erreicht. Filialen der Gemeinde Michelbach waren in Hengstfeld und Wiesenbach.

1869 gab es die größte Anzahl Juden im Ort. Mehr als 1/3 der Bevölkerung waren Juden. Mit der Gleichstellung und der Emanzipation begann auch der Niedergang. Juden wanderten wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten ab in die größeren Städte. Prominentes Beispiel ist Adolf Jandorf aus Hengstfeld. Er zog 1899 nach Berlin und gründete dort das KdW, das Kaufhaus des Westens.

Es stellte sich die Frage der Assimilierung der Juden. Juden verstanden sich selbstverständlich als Deutsche mit jüdischer Religion. Der Michelbacher Moritz Eichberg diente im 1. Weltkrieg. In Michelbach herrschte eine Zeit des guten Miteinanders. Der Titel des Buches von Otto Ströbel „Juden und Christen in dörflicher Gemeinschaft“! demonstriert das anschaulich. Erst der aufkommende und dann regierende nationalsozialistische Staat machte aus den Deutschen Juden, minderwertige Menschen. 1933 lebten in Michelbach noch 35 Juden. Ein Judenboykott lässt sich nicht feststellen; in der Reichspogromnacht wurde die Synagoge nicht zerstört, aber die gottesdienstliche Nutzung war verboten.

1941 und 1942 wurden die letzten 20 Juden deportiert. 13 davon wurden am 28.11.1941 auf den Killesberg gebracht. Von dort kamen sie am 1.12.1941 nach Riga. Nicht mehr arbeitsfähige Juden wurden dort nach Berichten von Zeitzeugen im Wald erschossen, vermutlich auch Juden aus Michelbach. Andere wurden in Altenheime zwangsdeportiert und starben dort. Die restlichen 7 Juden wurden bis 22.8.1942 auch deportiert. Zurück kehrten nur Moritz Eichberg und Thea Gundelfinger. Thea Gundelfinger blieb nur 2 Tage in Michelbach und ging dann zu ihrer Schwester nach England und wanderte später in die USA aus.
Moritz Eichberg blieb in Michelbach, erhielt sein altes Haus zurück und nahm seinen Viehhandel wieder auf. Er heiratete noch einmal, zog später nach Crailsheim und starb 1968. Er ist auf dem jüdischen Friedhof in Crailsheim begraben.

Die Synagoge heute

Nach dem Krieg diente die Synagoge als Lagerraum. 1979 stellte der damalige Besitzer einen Abbruchantrag für die inzwischen fast völlig verfallene Synagoge. Durch diesen Antrag wurde die Gemeinde aufmerksam und erwarb glücklicherweise das Gebäude. Mit sachkundiger Unterstützung des Landkreises Schwäbisch Hall wurde die Synagoge in den Jahren 1983/84 grundlegend restauriert: Der barocke Thoraschrein konnte dabei nach einer alten Vorlage, einem Foto des nach den Amerika ausgewanderten Bruno Stern, dessen Mutter aus Michelbach stammte, wiederhergestellt werden. Die Synagoge beherbergt heute ein kleines Museum und eine Gedenkstätte. Seine Dauerausstellung erläutert den Besuchern Aspekte der jüdischen Regionalgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.